Der zweite Tag..
.. beginnt mit Kaffee : ) im Wald ( :
Ein guter Start. Es dauert einige Zeit, bis die Ausrüstung verstaut ist. Beunruhigt stelle ich fest, wie schnell ich das Wasser verbrauche.
Heute möchte ich mindestens bis Nymindegap kommen. Ein Stop in Henne Strand ist notwendig um die Vorräte aufzufüllen. Am liebsten möchte ich dorthin über den Strand bis zur Mündung des Henne Å laufen.
Den direkten Weg zum Strand habe ich gestern schon beim Ausflug zum Seezeichen erkundet. Also nehme ich einen Weg parallel zur Dünenlinie, um dann später zum Meer zu gehen.
Der nächste Weg Richtung Westen ist ein überraschend komfortabler Wirtschaftsweg. Ein unscheinbares, schon etwas moosiges Schild am Wegesrand rät auf dänisch vom Aufenthalt ab !?
Ein paar hundert Meter weiter tauchen hinter einer Wegbiegung einige grüne Container auf. Neben dem einen Container sind etwa ein Dutzend leere 1000-Liter-Gittertanks gestapelt. Ein anderer Container ist geöffnet. Darinnen lagert säckeweise auf Paletten gestapelt die Chemikalie Natriumpersulfat – ein Oxidationsmittel. Links der Container führt ein kurzer Weg zu einem umzäunten Areal. Direkt an dem Zaun das nächste Schild. Größer. Aufmerksamkeitseinfordernder.
Rot-weiße Piktogramme informieren über diverse schwerwiegende Gefahren für Leib und Leben. Blau-weiße empfehlen eine Persönliche Schutzausrüstung bestehend aus: Gummistiefeln, Schutzanzug, Handschuhen, Atemschutzgerät. Des weiteren sind Rauchen und offenes Feuer verboten und so weiter.
Weiterhin werde ich in drei Sprachen informiert, dass hier in den Dünen giftiger Müll verklappt wurde. In den späten 50ern bis in die frühen 70er Jahre des letzten Jahrhunderts im vergangenen Jahrtausend. Noch einmal die Aufforderung, lieber woanders zu sein. Hier nicht ! Diese Zeitkapsel ist nicht freundlich.
Aus dem umzäunten Boden ragen kniehoch etliche Plastikrohre. In Reih und Glied gestellt, füllen sie die Fläche symmetrisch aus.
Der einzige verbliebene Weg Richtung Westen stellt sich ebenfalls als Sackgasse heraus. Auch hier ein ähnlich umzäuntes Areal. Dieses ist allerdings „in Betrieb“. Anscheinend wird Wasser aus dem Boden gepumpt. Die Rohre sind mit Schläuchen versehen. Diese führen zu einer großen Maschine die mittels Radlader mit den Chemiesäcken gefüttert wird. Hier werden auch die Tanks befüllt. Eine tiefdunkle Soße. Wie das Moorwasser, das in den Pfützen steht.
Ein leichter Geruch von Chemikalien erreicht meine Nase. Ich mache mir eine mentale Notiz, später zu recherchieren, drehe um und suche einen Umweg.
Dieser führt über einen schmalen Hobbitpfad an den Füßen der Dünen vorbei. Heidekraut, kleine Wäldchen aus Hagebutten. Das Rauschen der Wellen ist allgegenwärtig. Der Wind schiebt immer wieder satte Schäfchenwolken vor die Sonne.
Dann erreiche ich die Brücke bei Henne Mølle und bin froh, die erste Pause des Tages einzulegen. Das Gewicht des Rucksacks fängt an, seinen Tribut zu fordern.
Das Örtchen ist die übliche touristische Ansammlung von Ferienhäusern. Das Labyrinth führt zu der einen Einkaufsstraße. Erst ahne ich es nur, später weiß ich es: Diese Touristenfalle habe ich schon kennengelernt. Heute auf dem Programm: Kaffee und Erdbeerkuchen. Wasser einkaufen – der Rucksack erreicht schlagartig wieder sein Maximalgewicht. Einen Hotdog für den kleinen Hunger. Ganz schön anstrengend, das Touristenleben. Bevor ich den Ort nördlich verlasse, besorge ich mir von einem Straßenhändler noch eine handvoll Erdbeeren.
WARNUNG ! – Am Ortsrand informiert mich dieses Schild über Munition aus dem letzten Weltkrieg, die hier gesprengt wurde. Der Weg sei frei, das Betreten der Heidefläche geschehe auf eigene Gefahr. Bitte keine glitzernden Gegenstände einsammeln.
Die nächste Warnung kommt von zwei Touristen, die mir entgegenkommen: Der Weg sei überflutet. Ein Blick auf die Karte – die Alternativrouten sind etliche Kilometer länger. Also weiter … Es fängt mit harmlosen Pfützen an und weitet sich in Tümpel aus, die weit über die Wegränder hinausgehen. Drumherum führt ein kleiner Trampelpfad in das ‚Minenfeld‘ hinein. „Ach, Was ist denn das Schlimmste, was passieren kann ?“ fragt mich die innere Stimme. Richtig: Eine dänische Kneippkur. Im kalten Wasser. Barfuß. Auf Steinen. Mit scharfen Kanten.
Als ich das Hindernis überwunden habe, bin ich froh über trockene Socken und Schuhe. Leider setzt sich das Spiel fort: In den Tälern der alten Dünen sammelt sich Wasser, kleine Moore entstehen. Die Dünen verhindern ein Abfließen. Und genau hier läuft der Weg entlang. Die Füße sind dankbar für die Abwechslung. Allerdings: Das ständige Aus- und Anziehen der Schuhe dauert und kostet Kraft. Ist es vielleicht doch besser, einfach mit den Schuhen durchzulaufen ?
Die alten Dünen sind in den Plantagen mit Kiefern bewachsen. Krumm vom ewigen Westwind. Dann gelange ich in ein merkwürdig gewachsenes Eichenwäldchen. Später erfahren ich: Die Dünen haben den ursprünglichen Wald nach und nach verschüttet. Die Bäume wuchsen rasch genug, sodass die Äste bis heute aus der Düne herausragen. Auf Lichtungen blühen ganze Wiesen voll von Fingerhut. Im Windschatten hat die Sonne Kraft. Der Duft von Baumharz liegt in der Luft. Ein Reh äst am Wegesrand.
Den ersten Lagerplatz, den ich erreiche verwerfe ich fast sofort: Zum einen ist der Platz ist zu uneben und die Infrastruktur besteht aus genau einem Banktisch. Zum anderen möchte ich heute noch Nymindegap erreichen. Also geht es nach kurzer Pause weiter. Die letzten Kilometer führen fast ausschließlich durch die Plantagen. Gelegentlich sind Heideflächen und Moraste zu queren.
Der Weg lohnt sich: Der Zeltplatz ist hervorragend ausgestattet. Sogar einen Wasserhahn gibt es. Und ein besonders sauberes Herzchen-Häuschen. Beides keine Selbstverständlichkeiten.
Der Aufbau vom Tarp macht Spaß: Ich kann es an einem Baum nach oben abspannen und so eine sehr geräumige Unterkunft herstellen. Nach dem Kochen schreibe ich noch Notizen vom Tag zusammen und mache mir Gedanken über die morgige Route. Da kommt mich ein junger Fuchs besuchen. Anscheinend hat er die Thunfischdose gewittert und hofft auf seinen Anteil. Ich erinnere mich an den Ratschlag, alle, wirklich alle Lebensmittel, auch die Verpackten so hoch es nur irgendwie geht zu lagern. Und den Müll auch. Als das erledigt ist, geht es sofort in den Tiefschlaf.

